Mittwoch, 22. Juni 2011

Duft-Marketing - duftes Marketing?

Duft-Marketing - duftes Marketing?

Verkaufen mußt Du - die Natur hilft!
Wie wirken Düfte eigentlich?
Einmal ist immer das erste Mal.
Kein Entkommen möglich?


Willkomen in der Hexenküche des Neuromarketing:


Atmen müssen wir immer, und der Geruchssinn des Menschen kann nicht ausgeschaltet werden. Ist das der Königsweg zur Weckung unserer Kauflust oder doch nur ein weiterer Mythos der „alles ist machbar“ Ideologie?


Verkaufen musst Du – die Natur hilft!
 

Bei der Geburt ist der Geruchssinn bereits voll ausgereift. Ab dem ersten Atemzug in „Freiheit“ ist seine vorrangige Aufgabe zu lernen, Düfte und Gerüche zu unterscheiden und zu kategorisieren.
Ideal für jeden, der einen Zugang zum Kunden sucht, den man nicht sperren kann.
Da möchte so mancher so früh als möglich einen Fuß – oder wohl eher ein Gestänklein – in der Tür haben. Unsere hohe Empfindlichkeit für die Geruchswahrnehmung beruht auf 30 Mio Rezeptoren und die können nicht irren, aber sie können sich mächtig belästigt fühlen.


Wo setzen Düfte an, und wie wirken sie auf uns?


Zunächst gelangen die Moleküle, welche bei uns eine Duftempfindung auslösen an den Riechkolben (den gibt es wirklich). Dieser gibt eine Meldung an das limbische System und weiter geht es zur Amygdala, der Schaltstelle für Gefühle und Sozialverhalten.


Düfte beeinflussen:
  • Längeres Verweilen z. B. im Verkaufsraum
  • Erhöhte Risikobereitschaft z. B. im Spielcasino
  • Partnerwahl – Frauen finden Männer am anziehendsten, deren Körpergeruch sich möglichst stark vom eigenen unterscheidet.

    Unterschiedlicher Geruch bedeutet nämlich die Möglichkeit, die Eigenschaften unterschiedlicher Immunsysteme verbinden zu können. Also höhere Widerstandskraft für die Nachkommen. Wenn das Amor wüßte.
Die Risiken sind:
  • Erkrankungen der Atemwege z. B. Asthma
  • Allergien aller Art
  • Der Duft paßt nicht zum Produkt bzw. zu der Umgebung
Das Ergebnis lautet:
  • Duftwirkung ist kontraproduktiv - Vermeidungsreaktion
  • Es folgen Ablehnung und Flucht
Beim ersten Mal, da tut's noch weh

Schon einige Jahre bevor der Begriff Neuromarketing die Runde machte, begannen einige Parfümhersteller uns beim Aufschlagen einer Illustrierten mit einem wahrhaft ungelenken und markerschütternden Angriff auf unseren „Riechkolben“ zu überraschen - und w i e überrascht man bei einigen dieser Überfälle war:

Die Erwartung – eine Mischung aus Druckerschwärze und Papier zu riechen – wurde schmählich enttäuscht. Statt dessen sprang einen, in möglichst konzentrierter Form, ein Pheromongeschwängerter Duft-Prügel in die Nase. Wenn man besonderes Pech hatte, blieb der Geruch noch stundenlang an den Fingern kleben.
Und das Beste daran: ein tränenreiches Niesfest für Allergiker. Werbung verbindet.

Als fleißiger Internetnutzer und WebShop-Kunde ist man doch wohl sicher, vor solchen Attacken?

Also das ist so:
Den schon erwähnten Fuß in die Tür wollte man über die schon legendär berüchtigte Idee vom interaktiven Fernsehen bekommen.

Experimente mit „Geruchs-TV“ waren das Ergebnis dieser Überlegungen.
Eine kleine Box, quasi eine Chemiefabrik im Miniformat, sollte an das TV-Gerät angeschlossen werden und über ein mit gesendetes Signal zur Produktion von zur Bildinformation passenden Düften angeregt werden.

Zum Glück lassen sich Düfte nicht so schnell „an- und abschalten“ wie ein Fernseher und bleiben deshalb noch einige Zeit im Raum hängen. Da bekommt ein „Horrorfilm“ eine ganz neue Erlebnisdimension von ungeahnter Intensität.

Zunächst ein Flop, hat das die Situation nicht wirklich verbessert. In Kauftempeln, Hotels und Fahrstühlen umwabern uns neuerdings ganze Duftschwaden vom Eingangsbereich über alle Etagen bis an die Kasse. Tendenz steigend.

Man spricht hierbei von der „Flutung“ des Raumes.

Da ich kein Apnoe-Taucher bin, halte ich mich nur ungern in gefluteten Räumen auf. Ich will jedoch nicht undankbar sein. Immerhin bleibt mein Fluchtreflex in ständigem Training.

Du entkommst uns nicht!

Was spricht dagegen, das Gleiche nochmal, mit modernerer Technik am PC zu versuchen?

Ein prominentes Beispiel für die Wirkung der wunderbaren Welt der Düfte könnte die Firma Sony sein:

Bei SonyStyle - das sind weltweit vertretene Ladengeschäfte von Sony - duftet es nach Mandarin-Orange und Vanille. Das soll die Kauflaune und die Umsätze heben. Wer weiß, vielleicht ist ja den Hackern, die jüngst bei Sony reichlich Kundendaten geklaut haben, dieser Geruch in die Nase gestiegen, und da haben sich dann gedacht:
"Riecht gut, macht Laune, nehmen wir einfach mal was mit."

Wie die Düfte über das Web auf unseren PC gelangen könnten, ist noch völlig unklar. Vielleicht lassen sich durch visuelle Signale - sprich Bilder und natürlich mit Musik, mit Musik geht überhaupt a l l e s besser - die Wirkungen von Düften immitieren? Eine Art Placebo-Effekt, der uns ganz in den Bann der Kauf-Verführer schlägt.

So wie der Schriftsteller Marcel Proust, beim Eintauchen einer Madeleine in seinen Kaffee, Erinnerungen an seine Kindheit herauf beschwor, lassen sich vielleicht Bilder und Klänge finden, die uns an besonders geliebte Düfte und damit verbundene Situationen erinnern?
Schöne neue Welt...

Es grüsst Sie
Jürgen Schulz
online Redakteur

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